von Bernd Miller, KLEINER BLAUPFEIL, F GER 998
Nicht nur der KLEINE BLAUPFEIL F-GER 998, auch der alte T4-Pritschenwagen läuft und läuft...und hat uns wieder vom Bodensee über alle Berge nach Grenåa gezogen – unser schon bewährter Ausgangshafen am Meer (s. „Schtoinersegeln“ in der FN 4/14 und 1/15).
Wir segeln mit Stopp in Anholt über das Kattegatt nach Schweden – durch die Schärengärten und teilweise bei hoher Welle übers offene Skagerrak bis nach Norwegen, aber für Oslo war die Urlaubszeit zu kurz. Zurück über die Koster-Inseln – das Highlight der Reise! - wieder durch die Schären und über Læsø nach Dänemark zurück. In diesmal leider nur 4 Wochen haben wir fast 500 sm geloggt, davon 3 Std. mit 3,5 PS und 3 Std. im Schlepp vom WASSERMANN, die Comfortina 32 unserer Freunde Norbert und Josefine, die am Bodensee mit der F- GER 635 dabei waren.
Nachfolgend wieder einzelne Auszüge aus dem Logbuch:
Sa 1. Juli Grenåa - Anholt
Der Wetterbericht verspricht für heute ein kurzes segelbares Fenster im Gebläse und wir wollen nicht gleich zu Beginn der Reise versacken, sondern lieber für die nächsten Tage im Paradies Anholt eingeweht sein. Das bewährte Sturm-Groß ohne die Ausladung im Achterliek reicht für 5 bis 6 kn Marschfahrt völlig aus – bloß kein Streß gleich am Anfang! Bei herrlicher Sicht auf See und viel Platz im Hafen (24 Boote) bleiben Navy und Außenborder eingepackt. Dann der Schock am Steg: „Wo ist der Stecken (norddeutsch: Ausbaumer)?“. Beim Sicherheitscheck vor dem Lossegeln habe ich noch die Wanten abgetapet – vorher natürlich den Stecken gelöst … und liegenlassen. Krängung und Wellen haben den Rest erledigt. Der Frust wurde in handwerkliche Tätigkeit umgesetzt und ein möglichst gerader Eichenstecken musste geschnitzt, gesägt und mit kleinen Schäkeln bestückt werden. Erst kurz vor der IDM in Lindau habe ich ihn durch einen schönen neuen Stecken aus Bambus ersetzt. Zum Sonnenuntergang auf der Mole um 22:10 Uhr (!) Ist die Welt wieder in Ordnung.
So 9. Juli Lilla Kornö - Havstenssund
Wir sind schon um 7:00 Uhr fit und machen Frühstück auf dem Steg vor dem Boot in der Sonne mit der senkrechten Felswand im Rücken. Dann werden Karten gewälzt und Ziele gesteckt: maximal die südliche Koster-Insel Ramsö - mit 2 Alternativen unterwegs. Weil es viel gegenan zu kreuzen gibt, setzten wir Vollzeug – bei angesagten 4 bis 5 (max 6) Bft. nach Norden abflauend sollte das kein Problem sein. Gleich um die Ecke wird klar: falsche Entscheidung!- oder doch die richtige, weil wir gegen die Nordseewelle z.T. Nur 3 Kn laufen? Als wir aus der Abdeckung der Schären ganz raus sind, türmen sich Wellenberge auf, die wir bis dahin noch nie mit dem Folkeboot erklommen haben. Wir gehen auf Halbwind und ich habe echt Muffe vor dem Querschlagen und Vollaufen, was aber Dank der genialen Konstruktion nicht passiert – nur ab und zu eine ordentliche Pütz in`s Boot. Ich kann den Blick auf die Felsformationen um Smögen gar nicht richtig genießen. Vor uns taucht immer wieder der 10 m kleine WASSERMANN zwischen den Wellenbergen auf – wie verloren muß da erst das Folke aussehen? Beim krampfhaften Versuch, den kleinen Ausschnitt auf dem Kartenplotter mit einer der zahlreichen, alle gleich aussehenden Seekarten - alles blau, zwischendurch große Felsen und „Stoiner“ - in Deckung zu bringen, verliere ich die Orientierung und mir wird saumäßig schlecht! Besser, ich halte die Pinne fest und Isolde navigiert. Wir haben das Tuch getrimmt, wie ein Brett – der Traveller ist in Lee am Anschlag. Hier darf man sich nicht vorstellen, dass irgedetwas kaputt geht. Der im Meer auf einem Felsen stehende,von der Brandung umspülte Leuchtturm „Väcker“ weist den Weg in den geschützten Havstensund. Wir ändern den Kurs und surfen jetzt regelmäßig mit über 10 kn auf den Walzen – die Kämme fangen an zu brechen. Im Inneren der Schären beruhigt sich die See, aber wir rasen immer noch mit einem Affenzahn in den Sund. In einem Kolk vor der Engstelle kringeln wir und bergen die Segel – der Außenborder läuft auf den 1. Zug. Wir legen uns ins Päckle an den WASSERMANN am Steg. Später kommt ein norwegischer Collin Archer von 1880 mit gebrochener Saling an den Steg. Sie haben tagelang eine Oldtimer-Regatta geführt und mussten aufgeben – Reparatur geht vor.
Am nächsten Morgen kommt kurz vor 8:00 Uhr die Bedienung vom Schiffsladen mit wehendem Haar und Zahnbürste im Mund mit Vollgas mit dem Außenborder um`s Eck geschossen – nur im Zenith der Steilkurve wird die Zahnreinigung kurz unterbrochen – just in Time!
Di 11. Juli – Strömstad - Skjaerhalden
Nachdem ich gestern Abend mit meinem seit der Studienzeit gehegten Reiseziel „per Boot nach Norwegen“ so kurz vor der Grenze alle Mitsegler überzeugen konnte, mussten wir neben dem üblichen Proviant Bunkern noch zwei Norwegische Gastlandsflaggen auftreiben....Draußen nähern wir uns einem unsichtbaren, bodenseetiefen Graben, der die Seegrenze zwischen Schweden und Norwegen bildet. Bei 58°58,5` nördlicher Breite kippt Isolde einen Schluck Sherry über Bord und ich setzte die Flagge. Von Norwegen haben wir nur sehr dürftige Hafenliteratur auftreiben können und wählen einen Ort am Ufer, wo der Plotter zumindest Stege anzeigt. Wegen der massenhaften „Stoiner“ und Untiefen segeln wir in einem großen Bogen den in der Karte vorgeschlagenen Leuchtturm- und Tonnenweg und finden nach der traumhaften Einfahrt die Marina „Skjaerhalden“ auf den Insel Kirköy mit vielen freien Plätzen. Wegen der erstmals auch nach unten gestaffelten Preise ist das Folkeboot heute nicht länger, als 7,5 m. Beim Stadt- bzw. Dorfbummel gibt`s megagroße „Eiskugler“ und wir finden einen tollen Aussichtsweg zum Leuchtturm. Dann gibt`s Bier, gebratenen Dorsch mit Pellkartoffel, Salat, Rotwein....
Mi 12. Juli – Skjaerhalden – Vettnet (Nord-Koster)
….Richtung Süden geht es nach nur 9 sm Rauschefahrt mit Rumpfgeschwindigkeit nach Nord-Koster. Die gesamte Inselgruppe ist ein Naturreservat. Bei der tagesfüllenden Wanderung von dem malerischen Fischerdorf Vettnet um die Insel bietet jeder Blick auf`s Meer völlig neuartige, andere Landschaftsbilder: Im Osten bewachsene Schilfbuchten, im Norden der Sandstrand mit den Felsformationen, im Westen die riesige eiszeitliche Endmoräne „Klapperstenfeld“. Auf dem Rückweg geht es durch einen Kiefernwald mit eigenartigen dickborkigen Birken und Eichen mit riesigen Blättern, bevor wir am Kostersundet in ein Touri-Kaff mit 5-er Schiffspäckle eintauchen. Da haben wir mit unserer Bucht neben Saltholmen die bessere Wahl getroffen. Nur der Nord-Wind zerrt am Anker und später zieht ein Gewitter durch, das den Himmel und die Felsen nacheinander in allen Farben leuchten lässt.
Do 13. Juli – Vettnet (Nord-Koster) – Ursholmen (Süd-Koster)
….Wir segeln ohne Welle in den geschützten Schärengärten und können schon von weitem die zwei Leuchttürme von Ursholmen sehen – wir müssen allerdings noch durch ein Labyrinth aus Felsen – auf einem davon räkeln sich zahlreiche Robben. Wir segeln eine große S-Kurve, schleichen uns erst von Osten an, dann von Norden zur einzig möglichen Einfahrt zwischen den Steinen. Wo es genau reingeht, sieht man erst auf den allerletzten Augenblick. Zum Überblick fährt das Kursdreieck auf der Seekarte mit – die Feinsteuerung geht nur mit dem Plotter. Nie wären wir da sonst reingesegelt! Nach dem Einprägen der Untiefen im Kolk zwischen Innre und Yttre Ursholmen kommt der Plotter weg - die Segel runter – der Motor an – Lücke am Fels peilen, - Anker im Abstand 25m + Bootslänge fallen lassen – Einbremsen und Landverbindung an Felshaken herstellen. Die Insel ist in vieler Hinsicht extrem faszinierend und zusammen mit Nord-Koster das Highlight der Reise! Die wollsackverwitterten Gneisfelsen mit Schleifspuren aus der Eiszeit, die dunklen Diabas-Streifen mit Zerfall in Riesen-Würfel, die tiefen Schluchten, die „Bolderfields“ mit runden Steinen aus Oslo, die Hofsiedlung mit den Kartoffel-Stein-Iglu-Mauern. Als Krönung auf der Aussichtshöhe die Leuchttürme – extra doppelt, damit man sie als einzigartig erkennt. Draußen, außerhalb der Schärengärten hat sich die Dünung im Skagerrack aufgebaut. Die äußeren Felsen bekommen die volle Breitseite ab und gischten – ein gigantischer Ausblick bis an die lange norwegische Küstenlinie!
Di 18. Juli – Kungshamn - Rörö
….Wir sind nicht die einzigen, die zwei Tage eingeweht waren und jetzt wegen der alten Nordseewelle innen durch die Schären wollen. Es geht teilweise zu, wie auf der Autobahn – mit rücksichtsvollen und auch -losen Motorbratzenfahrern. superinteressante Strecke, die aber volle Konzentration erfordert. Die höchste Stufe im Plotter ist nötig, um zu entscheiden, welcher Fels wo umsegelt wird – da geht leicht der Überblick verloren – es geht hier viel zu schnell, aber mit Glück bleibt alles heil. Auf dem offenen Seestück nach Marstrand segeln wir mit der alten Welle mindestens Rumpfgeschwindigkeit.
Fr. 21. Juli – Læsø - Bønnerup
Kaum sind die Tücher oben, fängt es wieder an zu Pissen – wir haben eine weite Strecke hart am Wind vor uns und der Wetterbericht sagt 8 - 10 m/s Richtung Süden nachlassend voraus, das sind 5 Bft. Daher der Fehler mit Vollzeug – hätten wir nur...Der Wind alleine wäre ja gar kein Problem – Böen mit 7 - 8 Bft gehen auch mit weggetrimmten Segeln, aber die Brecher gehen jetzt immer wieder über alles drüber und sind auf die Dauer zermürbend. Das Schiebeluk würde auch bei einem Strahl aus dem Feuerwehrschlauch nicht mehr abdichten. Das Salzwasser läuft an der Leedecke über`s Schwalbennest auch in meine nach vorne gerückte Matratze. Dann 2 mal hintereinander ein lauter Knall und das Achterliek vom Groß klingt mit 2 Segellatten weniger wie ein Hubschrauber. Ich muss es etwas dichter nehmen, damit es nicht zerfetzt – das gibt aber einen Ruderdruck, bei dem ich fürchte, dass die Pinne bricht. Mit dem Sturmgroß wäre alles besser...Ich kann auch nicht weg von der Pinne, weil ich sonst sofort das Kotzen kriege. Also stoisch über Stunden – zig Stunden durchhalten. Seeleute müssen geduldig und zäh sein! Die physische und psychische Anstrengung ist sehr groß – wenn was kaputt geht, haben wir ein massives Problem. Alles hält aber und als die Windmühlen von Bönnerup in Sicht kommen, nimmt die Windstärke und die Wellenhöhe ab – wir telefonieren mit der Besatzung vom Wassermann – die haben wegen der Untiefen über 70 sm geloggt und kommen ¼ Std. später an. Der Hafen ist genial – 2 Vorbecken zum Segelbergen, 2 weitere Einfahrtsbuhnen und dann erst die Steganlage (da hat es wohl öfters Wind). Vor dem Abendessen noch die notwendigsten Drainagearbeiten – wir sind nach über 11 Stunden völlig erschöpft. Trotz mehrfachem Auspumpen der Bilge unterwegs ist nicht nur das Gemüsefach, sondern auch das Batteriefach eben voll mit Salzwasser – das Ladegerät ist gehimmelt. Jetzt läuft unser Elektro- „Öfele“ auf Vollgas.
Mi. 28. Juli – Lindau - Nonnenhorn
Nach dem Einkranen in Lindau am Bodensee will mein 81-jähriger Vater trotz Starkwindwarnung wie immer mit zum Heimathafen Nonnenhorn. Wir segeln waschbord, spitzen mit dem Bug in die zu kurzen Wellen ein, die Gischt spritzt über`s Deck und Horst fragt, wozu wir denn an`s Meer fahren. Vielleicht lassen die Bilder den Grund erahnen.
Bernd Miller
F GER 998 Kleiner Blaupfeil